Entbürokratisierung
«Überadministration ist eine verständliche und zugleich maximal untaugliche Reaktion auf die Realität der VUCA-Welt.»
Eine Stabstelle «Entbürokratisierung» wäre ein Stück Bürokratie mehr.
In vielen grossen Unternehmen (teilweise auch in mittleren) hat der Anteil der Mitarbeitenden, die nicht in den Kerntätigkeiten aktiv sind, laufend zugenommen in den letzten zwei Jahrzehnten. Ein wachsender sogenannter «Overhead» addiert sich auf speziell auf Gesundheits- und Bildungskosten, aber auch an verschiedenen anderen Stellen. Es werden enorm (!) viel mehr Daten produziert in Form von (internen!) Anträgen, Berichten, Informationen, «Kleingedrucktem», CC-Mails an den Büronachbarn usw. Viel davon wird nie gelesen. Gefühlsmässig scheint es für einige Personen der (scheinbaren) Absicherung zu dienen. Was passiert hier und wie kann es geändert werden?
In der Arbeitsgruppe «adminus» werden im Rahmen von Tagungen und Workshops Diagnosen und Methoden entwickelt:
- Eine gute Erklärung bietet Glasl. Überadministration ist hier ein Phänomen, das kommt, wenn die Pionierphase vorbei ist. Weil die Pionierin/der Pionier abtritt, ist die Vision im Herzen nicht mehr verkörpert und muss nun im Strategieprozess aufs Papier. Überhaupt muss alles in der Organisation jetzt eben geplant und vermessen werden, weil es schwer ist, den Überblick zu behalten. Dies nennt Glasl die Differenzierungsphase. Auf sie folge aber die Integrationsphase, weil Überadministration teuer ist: Sie macht viel Arbeit. Noch teurer ist allerdings, dass sie zu Fluktuation und inneren Kündigungen führt. Daher also, meint Glasl, bauen Organisationen mit der Zeit doch wieder mehr Vertrauen in die Mitarbeitenden auf, reduzieren die Überadministration zwar nicht auf null, aber doch deutlich und kommen so in die sogenannte «Integrationsphase». Alles gut also? Nun: Das Problem ist, dass viele Organisationen aus der Differenzierungsphase nicht mehr herauskommen.
- Dafür nun gibt es in der aktuellen Diskussion der Betriebswirtschaftslehre noch wenig Erklärung. Vermutlich liegt das Problem daran, dass die VUCA-Welt die Unternehmensführungen so sehr fordert, dass es ihnen besonders schwer fällt, Kontrolle wieder loszulassen. Sogar dann, wenn die überadministrativen Kontrollmechanismen gar nicht mehr wirken: Besser etwas, was nach etwas aussieht und nicht hilft, als gar nichts.
Lösungen liegen, wie Franz Röösli, Leiter des Zentrums für Unternehmensentwicklung der Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften in verschiedenen seiner Publikationen erläutert, generell im «Weg von Command and Controll hin zu mehr Selbstorganisation». Das ist der gemeinsame Punkt von Beyond Budgeting, Reinventing Organisations, Musterbrecher und all den anderen, die auf neuen Wegen unterwegs sind.
Methoden der Ethik helfen, gemeinsame Ziele zu klären und mit Vielfalt produktiv umzugehen.

(Christof Arn gibt es auch als Bildungsentbürokratisierer: agiledidaktik.ch)